Sea Gypsies auf Phuket. Dieses Volk konnte die Zeichen der Tsunamiwelle richtig interpretieren, sie erkannten das zurücklaufende Wasser und konnten sich schützen. Die Häuser am Strand verschwanden. Jetzt stehen dort Neue- Diese Reportage will ihre Kultur etwas näher bringen und durchaus dazu auffordern sie zu besuchen. Die Seagypsies sind darauf vorbereitet. Sagenumwobene Gestalten, verwegene Burschen, das sind die Piraten der Andamanen See und die Herrscher des Golfs von Thailand. Man erkennt sie am Gang. Breitbeinig, auf festem Boden wankend, auf schwankendem Boden sicher und fest stehend. Der Gang ähnelt dem Fluchtweg einer Strandkrabbe im Seitwärtslauf. Das sind sie, die Sea Gypsies. Und es gibt sie noch, doch viel Zeit ist vergangen und ihre große Zeit ist vorbei.
Es sind drei Gruppen, die zu unterscheiden sind: die Urak Lawoi, die Moklen und die Moken, insgesamt noch viertausend. Doch wo sind sie?
Sie leben in kleinen Dörfern am Wasser, auf Holzstelzen stehen ihre Häuser, luftig und immer in der Nähe ihrer Fischerboote. Am Anfang stand ich mittendrin im Dorf und wusste es nicht. Es war das Fußballspiel der Jungen, mitten auf dem Weg. Ich spiele mit. Die Autos umfahren für die Spielzeit den Platz. Und „German“ ist „football good“. Es war das Ende einer Tagestour durch den Süden von Phuket, schweißnass im roten Staub des trockenen Bodens, am Strand zwischen untergehender Sonne und den trocken gefallenen Fischerbooten. Hätte ich die Bewohner der Häuser gesehen, wären sie mir aufgefallen. Doch es wird schnell dunkel in Thailand, der Sonnewendkreis liegt nördlich und das bedeutet Tropen und immer gleich bleibende Sonnenauf- und untergänge.
Sea Gypsies, das sind die mit den dicken schwarzen Haaren, die als Kind noch braun sind. Sie stammen von den negroiden Völkern des Südens ab. Sie haben keine Schriftsprache, ihre Kultur haben sie sich immer schon zusammengesucht. Ein einfaches Haus für den Geist des Dorfes, ein paar Totems und ein eigene Musik.
Eine winzige Eintragung in der Karte gibt einen Hinweis. „Sea gypsie village“, am Ende der Raiwaiibucht. Direkt gegenüber liegt die kleine Insel Ko Bon und dazwischen ist viel Wasser. Die neue Seebrücke steckt wie ein Speer im Festland, sie hat das Leben hier verändert. Auch hier griff die Welle an und hat nach Beseitigung der Zerstörung eine neue Uferbefestigung hinterlassen. Viel an Charme ist verloren gegangen, doch die Gypsies sind geblieben. Am Meer liegen die schattigen Ruheflächen der Fischer. Ich sitze nebenan bei den Männern, die mit viel Geschicklichkeit riesige Fischkäfige bauen.
In drei Stunden steht das Holzgerüst, doch Tage werden gebraucht, um sie mit sorgfältigen Klammern zu Drahtgittern zu verflechten. Mit dicken Wollhandschuhen werden die Drahtspulen geschickt hin und her gewoben, gedreht, verhakt und verankert. Eine mühsame Arbeit im Schatten der Palmen. Die Größe der Maschen wird dem zu fangenden Nutzfisch angepasst. So können die kleinen Fische entkommen, um noch einmal den Tauchern und Schnorchlern als bunte Kulisse zu dienen. Die Käfige bleiben bis zu zwei Wochen im Wasser, bis sie mit Meeresfrüchten aller Art gefüllt sind.
Die heiße Mittagshitze bringt Ruhe in das Dorf. Es gibt nur wenige Straßen. Die Häuser sind ineinander geschachtelt, Grundstücke kennen die Gypsies nicht. Aber es ist sauber. Der Müll findet seinen festen Platz. Die Häuser sind aus Wellblech, einige aus preiswerten Palmenmatten, ganz ökologisch, alle 3 Jahre zu erneuern. Das Klima in diesen Hütten ist angenehm, sagt die alte Frau, die stundenlang in gehockter Stellung die Wäsche der Familie wäscht. Ihre Tochter kommt mit dem Fahrrad aus der Stadt und bringt Nahrung aus dem Supermarkt. Hier treffen sich Welten.
Der Dorfplatz ist heute leer. Er liegt in der Sonne und spendet nur spärlichen Schatten durch die hohen Palmen mit ihren filigranen Blättern. Alle Menschen sitzen hier im Schatten, auch die Tiere haben sich verkrochen. Wer in der Mittagshitze einen Menschen in der Sonne liegen sieht, hat einen Touristen vor sich. Frauen und Männer sitzen getrennt. Die alten Frauen haben ihre Enkelkinder mitgenommen, sie erzählen Geschichten. Häufig sind sie alleine, einige ihrer Männer sind auf See geblieben oder gestorben. In den Häusern schlafen die kleinen Kinder auf einfachen Decken. Der Boden ist durchsichtig und durchlässig. Alles von oben fällt nach unten. Alles.
Einige alte Frauen sitzen auf dem kühlen Boden des Dorfhauses und der früheren Schule. Sie bereiten die Mahlzeiten für ihre Männer zu, die diese Nacht wieder auf Fischfang gehen. Nicht viel hat sich geändert in dieser Welt der Seagypsies, nur dass die Männer immer weiter hinaus fahren müssen, um Fische zu finden. Diese Männer werden mit den Raubzügen in der Straße von Malakka in Verbindung gebracht, und das wohl nicht ganz zu unrecht. Aber es ist schon länger her. Damals haben sie an den Raubzügen in dieser gefährlichsten Wasser-Straße der Welt teilgenommen, doch die Initiatoren waren die Bugi-Bootsleute aus der „San Celebus Sea“ und die Seeräuber von den Rian-Lugga Inseln. Die Sea-Gypsies waren beteiligt, darauf sind sie heute noch stolz. Als Seeleute waren sie unstetig und reizbar und gingen keinem Ärger aus dem Weg.
Heute verkaufen sie Fisch und an die Touristen Muschelketten aller Art, als Türvorhänge und Fensterschmuck, als Handschmuck oder Einzelmuschel mit Rauschgarantie – friedlich und sehr sympathisch.
Wir wüßten gerne noch, welchen Status diese Seezigeuner in Thailand haben. Gelten sich als ausgegrenzte Randgruppe wie die europäischen Zigeuner oder haben sie einen besseres Ansehen und eine höhere Integration?