Das plötzliche Hupen verstört jeden neuen Phuketbesucher. Am höchsten Punkt des Patongberges vereinen sich ständig und ohne Unterbrechung die Hupsignale der Fahrzeuge. Ob Motorbike oder Reisebus, jeder drückt hier auf die Hupe. Hier ist eine heilige Stelle und das Hupen ist die Ehrerbietung. Buddhas Plätze sind den Thais sehr heilig. Es gibt heilige Bäume, die niemals gefällt werden dürfen, es gibt heilige Plätze und es gibt eben heilige Häuschen, zum Teil an unvermuteten Orten. Hier ist einer.
Ob in den Sois der Banglastraße oder am Straßenrand, die Geisterhäuser sind überall. Jedem Besucher Thailands fallen sie auf. Sie sind allgegenwärtig. Diese Häuschen befinden sich vor Universitäten, Wohnhäusern, Behörden, in Parks, und auch vor den diversen Bars haben sie ihren festen Platz.
Die kleineren erinnern eher an ein farbenprächtiges Vogelhäuschen, aber größere Firmen errichten wahre Paläste für “ihre” Geister. Die Geister haben Anspruch auf Anpassung ihrer Behausung an den sozialen Status ihrer menschlichen Mitbewohner.
Man glaubt, dass jedes Stück Erde von einem Geist bewacht bzw. bewohnt wird. Will man also auf einem Grundstück ein neues (Menschen-)Haus bauen, so wird es allgemein als notwendig angesehen, dem ansässigen Geist ein neues Domizil anzubieten.
Dazu wird eine Art thailändischer Geomanter herbeigerufen, meist ein brahmanischer Priester. Diesem obliegt es, einen geeigneten Platz für das neue Geisterdomizil zu finden.
Ein paar Richtlinien gibt es natürlich auch dafür: Die Häuschen müssen entweder nach Norden oder nach Süden ausgerichtet sein, vorzugsweise nach Norden. Auch darf der Schatten des neuen Menschen-Hauses auf gar keinen Fall das Geisterdomizil verdunkeln. Wenn diese und andere Regeln nicht beachtet werden, kann es sein, dass der Geist sich weigert, sein neues Zuhause zu beziehen, und das kann böse Folgen haben.
Das Geisterdomizil sollte auf einem Pfosten stehen, vor dem meist einzelnen Zimmer befindet sich eine Terrasse, auf der die Gaben für den Geist platziert werden. Ein Geist hier in Thailand lebt in Vollpension. Vormittags gibt es Reis, Obst und Tee, mittlerweile wird auch Coca-Cola als Getränk angeboten. Der Buddhismus befasst sich mehr mit den Dingen “jenseits” des jetzigen Lebens, für einen Thai sind aber gerade die heutigen Angelegenheiten wichtig. Für solche gegenwärtigen Sachen ist der Geist zuständig. Geister spielen in Thailand eine wichtige Rolle. Der Erdgeist Phra Phuum ist der wichtigtse im Leben jeden Thais. Nach einer Legende war Phran Phuum der Sohn eines Königspaares, das vor 5.000 Jahren herrschte. Neun Söhne wurden geboren, wobei jedem die Herrschaft über einen bestimmten Lebensbereich übertragen wurde. Einer wurde zum Herrscher über Haus und Hof. Er wurde dann später im Volksglauben zum Erdgott erhoben, zum Phra Phuum. Meistens wird im Wohnhaus selbst ein Buddha-Altar tagtäglich mit Respekt und Ehrfurcht bedacht und übernimmt somit die Rolle eines Gottes. Der Phra Phuum jedoch wohnt in einem Geisterhäuschen, das wie beschrieben an einem vorgegebenen Ort in einer Ecke des Grundstückes errichtet wird.
Dabei wird auch der Ort und die Zeit der Errichtung von einem Mönch aus dem zuständigen Wat genau festgelegt. Diese Geisterhäuschen sind überall. Die Säule aus Holz oder Beton auf der sie stehen, muss hoch genug sein, um Respekt auszudrücken, aber auch niedrig genug, um Opfergaben überreichen zu können. Die Häuschen sollten immer mindestens in Augenhöhe angebracht werden, denn eine niedrigere Bauweise könnte die Geister erzürnen; so der Glaube. Häufig sieht man diese Geisterhäuschen an unfallträchtigen Straßenstellen oder auch an Orten, wo Verbrechen geschehen sind.
Die Errichtung der Geisterhäuschen an solchen Stellen geschieht durch Personen, die ein Gelübde erfüllen. So kann an solchen Orten aus der Anhäufung dieser Geisterhäuschen eine richtige Geisterhäuserstadt entstehen. Der seeseitige Straßenrand von Patong Richtung Kata-Karon auf Phuket ist solch eine Stelle. In der Regel ähneln solche Geisterhäuschen einem Miniatur-Tempel. Eine aus Holz geschnitzte oder aus Ton geformte Figur symbolisiert den Phra Phuum.
Die Elefantenfiguren darauf dienen dem Phra Phum als ständiges Transportmittel und weitere Menschenfiguren symbolisieren die Dienerschaft des Geistes. Die Figuren werden an der Rückwand, gegenüber dem Eingang, aufgestellt. Regelmäßig werden dem Erdgeist Opfergaben in Form von Blumen, Speisen und Räucherstäbchen gemacht. Bei besonderen Vorkommnissen (z.B. eine bevorstehende Überschwemmung, ein starker Monsum oder ein anderes Unglück, das über das Haus oder Land kommen könnte) werden besondere Vorkehrungen getroffen. Dies geschieht durch ein Gebet am Geisterhäuschen, besonders schöne Opfergaben oder durch ein rituelles Waschen des Häuschens, damit der Phra Phum jedes mögliche Übel abwendet oder zumindest in seiner Auswirkung einschränkt. Zum Songkran-Fest werden die Geisterhäuschen in der Regel gereinigt.
Wenn ein Geisterhäuschen vernachlässigt wird oder sein Zustand gar dem einer Ruine gleicht, so besagt der Volksglaube, wird der Phra Phum dafür sorgen, dass das auf dem Grundstück stehende Haus in denselben Zustand gerät. Mitunter kann er sogar sein Häuschen aus dem Grund der Vernachlässigung verlassen, was ebenfalls großes Unglück verheißt und schwerer Frevel ist. Auch bedeutet jede Beschädigung am Haus, dass der Erdgeist unzufrieden ist. Durch eine rituelle Erneuerung des Geisterhäuschens erhofft man sich, dass der Geist die Unachtsamkeit verzeiht und sein neues Häuschen akzeptiert.
Die Geisterwelt der Thais und die Geisterhäuschen sind ein wichtiger Bestandteil der psychischen Welt Thailands und werden begleitet von einer reichhaltigen Umgebung mit Fabelwesen, Zauberern, Dämonen und vielen anderen geheimnisvollen Dingen. Trotz moderner Zeiten werden insbesondere in den ländlichen Gebieten solche Traditionen intensiv gepflegt.
Als Besucher des Landes ist es wichtig, dass man die Geisterwelt akzeptiert und nicht darüber witzelt. Im Grunde ist es angebracht, wenn Sie in Thailand eingeladen werden, dass Sie zumindest einmal den jeweiligen Phra Phum mit einem respektvollen Wai begrüßen. Damit haben Sie nicht nur Gewissheit, dass die Gastgeber dies zu schätzen wissen und es als Glück für das Haus empfinden sondern insbesondere werden Sie vom Geist unbehelligt bleiben, denn die Geister sind in Thailand allgegenwärtig.
Thailänder haben eine besondere Beziehung zu dem Reich der Toten und Geister, wie man bei einer Fahrt durch das Land sehr schnell mitbekommt. An vielen Orten, an denen die Geister beschwichtigt werden sollen, entdeckt man diese kleinen Geisterhäuser. Hier sollen gute Geister eine Unterkunft finden und böse Geister vertrieben werden. Böse Geister können zusätzlich noch durch anzünden einer Knallerkette verschreckt werden.
Geisterhäuser sind schön anzusehen, nachts wirken sie mystisch und bewohnt, da viele von ihnen mit Lämpchen und Glockenspielen geschmückt sind.
In einigen asiatischen Restaurants entdecke ich manchmal so einen Schrein mit Räucherstäbchen und frischem Essen. Originellerweise kann der direkt unter der Bar sein. Ist das ebenfalls die Stätte des ‘Hausgeistes’, der dort lebt und versorgt wird?
Auf fast allen Grundstücken von Firmen oder auch von Bars stehen diese Geisterhäuschen. Dem Hausgeist werden täglich frische Blumen, Wasser Reis und Räucherstäbchen geopfert. In den Restaurants kann man diese Geisterhäuschen ja schlecht ins Freie stellen und deshalb sind sie halt innen angebracht. Normalerweise soll kein Schatten von Bäumen oder Gebäuden auf sie fallen. Das ist natürlich im Innern nicht machbar. Sie erfüllen aber den gleichen Zweck.
Mit Freundlichen Grüßen aus Khon Kaen, Thailand,
Dr. Charly Biehl