Angkor Wat. Der Tempel ist mehr als ein Tempel

Die Ausfallstraße nach Angkor ist verkehrsreich. Überwiegend sind es Zweiräder und TukTuks, die ihre Gäste hierher transportieren. Ein neuer Minibus vermittelt den Eindruck, dass sich hier in dem Hauptgebiet des kambodschanischen Tourismus etwas bewegt. Ich passiere mit meiner Wochenkarte die Ticketkontrolle. Ein neuer Tag. An der Straßenseite stehen Schilder, die darauf hinweisen, dass mit Elefanten als Verkehrsteilnehmer gerechnet werden muss. Vor uns taucht die Mauer auf. Davor ein Wassergraben. Wir wissen, das ist Angkor Wat. Wir erreichen dieses weltberühmte Gebäude aus Richtung Süden. Der Eingang liegt im Westen.

Angkor Wat - Angkor what?
Angkor Wat – Angkor what?

Es ist schwer Angkor Wat zu beschreiben und dabei seiner Schönheit gerecht zu werden. Noch außerhalb des Geländes herrscht Jahrmarktstimmung. Die Händler verkaufen ihre touristischen Bedarfsartikel vom Khmerschal bis zum teuren Angkorbuch in Englisch als billiger Schwarzdruck. Sobald man von der westlichen Seite die 200 Meter lange Dammstraße betritt, bleiben alle Händler zurück. Hier auf den Steinen des monumentalen Gebäudekomplexes wird ehrfürchtig dem Ansinnen des Gastes entsprochen, unbelästigt das Heiligtum zu betreten. In der Mitte der Dammstraße befindet sich eine Bootsanlegestelle. Hier springen die Kinder nackt in die Becken, wohl wissend, dass Touristen gerne etwas geben, wenn sie einen dieser Sprünge fotografieren dürfen.

Farbtupfel im Einerlei der Tempel
Farbtupfel im Einerlei der Tempel

Leise tönt aus dem Hintergrund die Musik einer Hochzeit. Heute ist Sonntag. Die kambodschanischen Familien besuchen ihr Heiligtum. Die Kinder sind eher begeistert von den Touristen und von den Kühen, die hier unbeaufsichtigt überall weiden können.

Nach 200 Metern passiert man einen „Gopura“, eine Empfangshalle mit fünf Gängen. Zu Stein gewordene Löwen bewachen hier den Tempeleingang. An der Palme steht ein Pferd, bereit für einen Rundritt, sein Besitzer schläft Torbogen des Gemäuers.

Die Kinder gehören zum Tempel
Die Kinder gehören zum Tempel

Von allen Bauwerken der Khmerkunst ist Angkor Wat aufgrund seiner Ordnung und vor allem wegen seiner Größe am harmonischsten. Angkor Wat liegt auf einer rechteckigen Fläche, die von Norden nach Süden 1300 Meter beträgt und von Osten nach Westen 1500 Meter. Es ist das größte sakrale Bauwerk auf dieser Erde.

Vier Eingangspavillons gewähren Zutritt. Der westliche ist davon der größte. Diese „Portiersloge“ ist fast 230 Meter lang und hat in der Mitte drei Durchgänge, die mit Turmheiligtümern gekrönt sind.

Dann kommt der überwältigende Augenblick. Der über 400 Meter weit entfernte Tempel erstrahlt leuchtend rot. Über einen 1,50 Meter hohen mit Sandstein gepflasterten Weg kann man die Tempelanlage erreichen. Rechts und links weiden auch hier kleine Herden von Kühen. Die Kuhjungen stehen im Schatten der Bäume, sie unterhalten sich dort mit den jungen Mönchen, die hier leben. Die Farbe der Rasenflächen wird maßgeblich gestaltet durch Mimosen. Unterbrochen wird das Grün-Gelb von Tümpeln und Teichen, in denen sich die roten Sandsteinmonumente idyllisch wiederspiegeln. Nassgeschwitzt bewegen sich die Touristen in ihren grauen T-Shirts, schweißverfärbt von den Schultern bis zum Bauch. Das Durchschnittsalter liegt bei über 60 Jahren und die meisten sind heute Asiaten, überwiegend Koreaner. Koreas Engagement für Kambodscha kennt keine Grenzen, von der Brücke im Reisfeld bis zum komplett renovierten Tempelgang, Korea macht es möglich.

Herzlich Willkommen - immer wieder - Angkor ist nie fertig
Herzlich Willkommen – immer wieder – Angkor ist nie fertig

Hier erfüllen sich viele den Traum ihres Lebens: Angkor Wat. Vor einigen Jahren ist dieses erst möglich geworden. Die Kühe hier waren vorher die Minensucher im Gelände. Doch hier haben sie keine entmilitarisierenden Aufgaben zu erfüllen, dieses Gelände ist mit Sicherheit minenfrei. Ihre Partner sind weiße Fregattvögel, die ihnen das Ungeziefer aus dem Fell picken.

Hier ist vor langer Zeit ein Garten gewesen, nur für Bedienstete und einige ausgewählte Geistliche. Unvorstellbar die Schönheit der Türme, von denen es nur noch drei gibt, die beiden anderen sind in sich zusammengefallen. Trotzdem bleibt Angkor Wat das besterhaltenste Bauwerk, gelegen in der Sonnenachse zwischen Aufgang und Untergang.

In das Innere der vierten Umfriedung führt eine von Naga-Balustraden gesäumte Straße. Sechs nach unten führende Treppenpaare gehen davon zur Plattform des Tempels. Auf halben Weg wird die Treppe von zwei „Bibliotheken“ und von zwei Wasserbassins eingerahmt. Vergessen und fast verlassen in dieser großen Anlage der talentiertesten Architekten, liegen diese „Bibliotheken“.

Damals noch Elefanten. Fertig zum Ausritt in eine andere Zeit
Damals noch Elefanten. Fertig zum Ausritt in eine andere Zeit

Hätte der Bauherr der Bibliotheken gewusst, dass unterschiedliches Gestein unterschiedlich verwittert und auch verschiedene Lebenszeiten hat, hätte er sich bestimmt für das Langlebigste entschieden. Ein Teil ist bereits restauriert, der andere Teil ist verwittert grau, unansehnlich tropisch geschwärzt.

Es ist heute mehr los als gestern vormittag, denn wenn die Sonne von Westen scheint, verzaubert das Licht die Tempelanlage in eine warme schützende Hülle. So sitzen die Touristen an schattigen Ecken und schauen dem untergehenden Spiel der Sonne zu. Jedes Betreten eines Raumes gleicht dem Wechsel zwischen europäischen Jahreszeiten. Wohlige Wärme wird plötzlich zu fröstelnder feuchte Kälte.

Der Tempel besteht aus drei Stockwerken. Der erste Stock ist 3 Meter hoch mit Mauerleisten verziert, der zweite ist 5,80 Meter hoch und auf dem dritten 11 Meter hohen Sockel stehen die zweistufigen Pyramiden. Alles zusammen hebt sich Angkor Wat 65 Meter aus dem kambodschanischen Boden.

Der Bau dieses Tempels, der dem König als Grabstätte dienen sollte, dauerte 37 Jahre. Unüblich ist hierbei die Ausrichtung nach Westen, denn üblicherweise sind alle Hindugebäude nach Osten ausgerichtet. Heute weiß man, dass der Grund  die letzten Strahlen der untergehenden Sonne waren, die das Grabmal noch berühren sollten. Angkor Wat war eine Stadt in der Stadt. 20.000 Menschen haben in seinen Grenzen gelebt.

Die Vogelperspektive zeigt erst das ganze Weltwunder
Die Vogelperspektive zeigt erst das ganze Weltwunder

Aus der Luft betrachtet wirkt Angkor Wat als homogene Einheit. Der 150 Meter breite Wassergraben, der den Tempel umschließt, galt als Nachbildung des Urmeers. Die Gräben haben von oben die Form einer Lotusblüte. Der ganze Komplex soll das Universum darstellen, die Türme den Sitz der Götter. Diese Türme sind auch Bestandteil der Nationalflagge des Landes, egal welche Regierung, egal welche Macht.

Filigrane Entdeckungen: Überall und an jeder Stelle
Filigrane Entdeckungen: Überall und an jeder Stelle

Ein Gedanke zu „Angkor Wat. Der Tempel ist mehr als ein Tempel

  1. Wo ist mein Rucksack? Ich muss auch wieder los. Übringes herrscht(e) die Jahrmarksstimmung auch um die großen christlichen Bauten, wie Kathedralen und Kirchen in größeren Orten. Dort war Markt.

Kommentare sind geschlossen.

Nach oben scrollen