Ein neuer Tag, ich lasse diesmal die Türme von Angkor Wat hinter mir liegen. Gleich hinter dem Sunset Point Phnom Bakeng führt die Straße auf ein Siegestor zu. Es ist dasjenige der beiden Osttore, das den Eingang zum Königspalast bildet. Angkor Thom wird auch die große Hauptstadt genannt. Sie wurde vom fleißigsten Bauherrn Jayavarman VII. um 1200 ausgebaut. Elefanten kommen uns entgegen, sie passieren das Tor und lassen uns eine Zeitreise von über 800 Jahren erleben.
Das südliche Stadttor liegt hinter einem 50 Meter breiten Wassergraben, in dem früher Krokodile gelebt haben. Von den insgesamt fünf Stadttoren sollen vier die Himmelsrichtung symbolisieren. Im Kreuz ihre Achsen liegt der Bayon, der sagenumwobene Tempel. Ich passiere das Tor, die Brückenrandbefestigung sind steinerne Darstellungen der Köpfe der Götter. Sie sind bereits restauriert. Hier haben die Roten Khmer gewütet und dabei eine Reihe Steinköpfe abgeschlagen. Heute erstrahlen sie im alten Glanz, noch sichtbar sind die Spuren der Gewaltanwendung in ihrer Geschichte.
Der Bayon wirkt aus der Entfernung wie ein großer Steinhaufen. Doch je näher ich komme, umso filigraner werden die Strukturen, immer deutlicher werden die Gesichter, wie ein Magnet zieht das Gebäude in sein Inneres. Also überwinde ich ein paar Stufen und befinde mich plötzlich in einem engen Labyrinth von Gesichtern und Figuren. Das hier ist das Meisterwerk. Es ist das verdichtete Zentrum einer Kultur. Es sind die verschachtelten Gänge, die Galerien und dunklen Räume. Gefüllt mit Flachreliefs und Buddhastatuen. 200 gewaltige Gesichter mit ihrem steingewordenen Gesichtsausdruck treffen aus allen Winkeln meine Augen. Dieser Aufenthaltsort fesselt. Erst eine alte Frau reißt mich aus dem Traum und bittet um Geld für Räucherstäbchen. Seit 10 Jahren ist sie hier, sie muss gemerkt haben, was in mir passiert ist.
Der Bayon wurde 100 Jahre nach Angkor Wat gebaut. Es gibt Theorien, dass dieses Angkor Thom mit dem Bayon den Untergang des Khmerreiches beschleunigt hat. Hier wurde so viel Energie verarbeitet, die alles zerstörte.
Jayavarman VII war der letzte große König. Er war der sozial engagierteste, aber er muss das Volk ausgelaugt haben. Er hat vor allem die menschlichen Ressourcen aufgebraucht. Die Khmer konnten sich nicht mehr wehren gegen ihre Feinde. Vom Osten kamen die Chams, vom Norden kamen die Mongolen und aus dem Westen die Siams. Keiner stieß auf große Gegenwehr. Der plötzliche Niedergang der Khmer begann in ihrer scheinbar perfektesten Zeit. Der Bayon war fertig, vergoldet, ein großes begehbares Schmuckstück. Doch diese aufwendigen Bauten zwangen die Menschen, die Instandhaltung der Bewässerungsanlagen zu vernachlässigen und das führte zum Bruch der Barays, dieser von Menschenhand geschaffenen riesigen Stauseen. Eine katastrophale Überschwemmung zerstörte in kurzer Zeit die Grundlage des Reichtums, die mehrfachen jährlichen Reisernten. Die Menschen verließen Angkor und ließen sich am Mekong und am Tonle Sap nieder.
Die Zeit ist fortgeschritten. Aufgeregt warten die Moped- unds TukTukfahrer bereits am Ausgang. Der Sonnenuntergang auf dem Phom Bakeng wartet nicht. Dieser Meinung sind auch noch tausend andere Gäste von Angkor. Hier oben heißt es Abschied nehmen, das fällt leicht bei dieser Menge Menschen. Angkor ist etwas für die Seele, in Angkor muss man allein sein.
Die Sonne steht tief, die letzten Stahlen erreichen von Westen die Spitzen von Angkor Wat. Und das war so geplant.
Ich finde eure Artikel über Asien sehr schön. Mehr davon bitte! 🙂
Maria
Geile Bilder. Das ist wirklich fast eine Zeitreise. Man müßte sich mal zurückbeamen können, um zu sehen wie das gebaut wurde und wie die Menschen damals lebten.