Von der Nacktheit und ihren Tatsachen – Kambodscha von Innen

Die Menschen im damaligen Funan-Reich, das Gebiet umfasste Vietnam inklusive Kambodscha, waren lange nackt. Bei einer Temperatur von durchschnittlich 27 Grad, bei einer Abweichung von 3 Grad je nach Jahreszeit auch kein Wunder. Das zumindest ist so geblieben.

Denn auch die Königin Lieu Yi war nackt und auch deren Soldaten. In einem Feldzug wurde sie von einem Brahmanen namens HunTien besiegt. Er heiratete sie kurzerhand und wurde König. Das sich einige an der Nacktheit seiner neuen Frau erfreuten, gefiel ihm gar nicht, so schnitt er ein kopfgroßes Loch in ein Stück Stoff und gab ihr diesen. Dieses war das erste Damenkleid im Reich der Funan. Geschehen ist dieses nach chinesischen Berichten um das 5. Jahrhundert. Vieles hat sich seitdem verändert, nur die Temperaturen nicht.

Auf der Bühne ist der Trend
Auf der Bühne ist der Trend

Heute sind die Sprünge der Veränderungen schnell und unaufhaltsam. Wer sich die gnadenlosen Shows in den frei empfangbaren Sendern des Landes ansieht, wundert sich nicht über die Tanzeinlagen der Mädchen zwischen den Interviews und den Musikstücken, sondern über die Tatsache, das alle unterschiedlich gekleidet sind. Das ist kein Fernsehbalett oder die Tanzriege aus den Friedrichstadtpalast. Hier geht es um nackte Tatsachen. Das ist eine Verkaufshow. Die Kleidung wird gesponsert von der internationalen Bekleidungsindustrie, im Hintergrund schwebt CocaCola. Hier wird Geschmack gemacht. Hohe Schuhe, Kariertes jeder Art für Hemden, schrille Schnitte für Hosen, kurze Röcke….

Lange war das Röhrenhemd der Reisbäuerin (aw-bampung) die einzige Kleidungsstück für Frauen. Es war ein Stück Stoff, das von der Schulter bis zu den Knien reichte. Die Männer trugen auf dem Feld und in den Zuckerpalmenplantagen eine schwarze Kniebundhose mit einem weißen Baumwollhemd.

Kambodscha trifft auf Welt
Kambodscha trifft auf  die Traveller-Welt

Dann kam die offene Zeit unter dem jungen Königssohn Sinaouks, die berühmten aber auch berüchtigten Sixties Kambodschas begannen. In den 60er Jahren wurde der Einfluss der Franzosen in allen gesellschaftlichen Ebenen sichtbar. Kambodscha öffnete sich Richtung Westen. Bis weit in die 70iger waren auch in Kambodscha die Schlaghosen ein Kennzeichen der Modernität. Hier galt, wer den weitesten Schlag hatte, war ganz weit vorne in Anerkennung und Macht.

1975 war damit Schluss. Brutal setzten sich die Roten Khmer an die Macht und ordneten als erstes schwarze Kleidung für alle an. Alles andere, bunte Blusen, Muster oder Farben wurden als Erbe des Imperialismus gesehen und wer es trug, wurde nicht selten mit dem Tod bestraft. Pol Pot und seine Schergen trugen ebenfalls schwarz, abgesetzt davon ein um den Hals gelegten rot-karierten Khmerschal. Dieser Look wurde zur Uniform für die gesammte Gesellschaft der Steinzeitkommunisten. Die Menschen der Städte, die aufs Land in die Reisfelder deportiert wurden, mussten unter Aufsicht mit Baumrinden und bestimmten Früchten ihre gesamte bunte Kleidung einschwärzen. Der Sturz des Pol Pot Regimes im Jahr 1979 durch die Vietnamesen hinterließ nicht nur schwarze Kleidung, sondern auch schwarze Seelen. Nur langsam erholte sich das Land von diesem Massenmörder, der noch lange unterstützt wurde von Thailand und den USA.

Zu Ende war daher der Schrecken erst 1998. Pol Pot war tot, einige Mitstreiter verhaftet. Millionen von Toten brauchten keine Kleidung mehr.

Dresscode für alle

Heute kennen die unter 30jährigen Kambodschaner ihre Geschichte nicht, wollen sie auch nicht kennenlernen. Sie wollen heute alles, jetzt und sofort. Leben auf der Überholspur. Sichtbar an ihren Statussymbolen der Neuzeit: Moped, Handy und eben … Kleidung.

Auf dem Land
Auf dem Land

Laufen auf dem Land die Kinder noch nackt herum bis sie dann mit sieben Jahren zur Schule gehen, bewegt sich die Jugend in Markenklamotten in den Städten durch die Lichttempel der modernsten Diskotheken und Karaokebars.

Ganz anders allerdings ist der Dresscode auf offiziellen Treffen, Feiern und bei traditionellen Tänzen. Die stark hierarchische kambodschanische Gesellschaft lässt da keine Ausnahmen zu und bestraft mit Nichtintegration oder, schlimmer noch, mit Nichtachtung bei “abnormen” Auffälligkeiten.

Traditionen sind Pflicht

3 Gedanken zu „Von der Nacktheit und ihren Tatsachen – Kambodscha von Innen

  1. So wird die Welt gleichgeschaltet. Die Medien geben den Takt vor und alle wollen die gleichen Klamotten und Geräte. Das Ursprüngliche vergeht, auch wenn Reste bewahrt werden. Vielleicht ist dieser Prozess notwendig, um eine wahre Globalisierung mit ähnlichen Wertvorstellungen zu ermöglichen. Das Aufbäumen der großen Religionen zeigt, welche Spannungen sich daraus ergeben.

  2. Fällt das in Kambodscha so auf, weil man die Geschichte kennt und anderes erwartet? Wie war es bei uns 15 Jahre nach dem Krieg? Es gab noch keine mobile phones und andere moderne elektronische Spielzeuge. Aber das, was damals hipp war, wurde von der Jugend verlangt, auch chicke Kleidung und Musik.
    Der Trend zur Bühne ist lustig. Er scheint in Asien stärker ausgeprägt zu sein als hier.

  3. Ist doch total schön und völlig normal, dass nach all den geschichtlichen Drangsalierungen Lebensfreude und bunte Kleidung Einzug halten. Junge Leute sind überall auf der Welt so. Welcher Jugendliche in Deutschland setzt sich denn mit der deutschen Geschichte freiwillig auseinander? Die Judend kann nichts dafür, dass Eltern und Großeltern und sonstige Vorfahren die Lage nicht im Griff hatten. Jugend will leben und feiern und Spaß haben. Bei uns rennt ja auch kaum jemand den ganzen Tag in Tracht rum.Ich gönne denen das.

    Und wie war es bei uns nach der Wende? Viele Ostdeutsche haben auch sofort ausprobiert was vorher nicht zu haben war. Die bunte Welt ist verlockend, wenn die eigene nur braun und grau aussieht. Erst später wurde bewusst (und manchen auch nicht) dass es im Leben wichtigeres gibt als die materialle und virtuelle Welt.

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