Dezember 2012, Kambodscha, Sihanouville. Frühzeitig bin ich abreist, schon Ende Oktober, rechtzeitig vor den dunklen Tagen, aber vor allem lange vor Weihnachten. Auf der Berliner Stadtautobahn, dem Südring, roch es bereits nach Spekulatius, aber das fängt ja schon im Sommer an.
Kambodscha ist weit weg ist von der vorweihnachtlichen Katastrophe in Europa und Amerika. Fast 10.000 km. In Kambodscha gilt das chinesische Jahr. Silvester ist am 15. April. Die Menschen sind Buddhisten. Buddha erwachte unter einem Baum und Jesus schrie in der Krippe, die weit entfernt stand. Das sollte reichen, um dem weihnachtlichen Konsumterror mit familiären Tragödien zu entgehen, dachte ich. Dieses Land hat genug mit sich selbst zu tun hat und muss nicht auf andere Länder schielen. Die warmen Kleidungsstücke sind zuhause geblieben, der Rückflug in den Frühsommer gelegt. Mehr kann man nicht machen. Aber der globale Kulturtransfer, insbesondere mit merkantilem Hintergrund, erreicht die entferntesten Gebiete.
Ich gehe in einen Laden, um mein deutsches Brot zu kaufen. Das war der Fehler. Deutsches Brot, um die Weihnachtszeit. Es kommt nicht allein! Völlig unerwartet ist der Weihnachtsmann in Sihanoukville angekommen. Der Ort ist schwer zu erreichen. Sechs Stunden Busfahrt von Phnom Penh, 19 Stunden Busfahrt nach Bangkok. Mit Bus und Schiff nach Saigon glatte 26 Stunden.
Warum sollte der Weihnachtsmann hierher reisen, wie sollten seine Rentiere in schokoladenschmelzender Hitze überleben, fernab der Gegenden, in denen es Nüsse, Nussknacker und Geschichten zum Vorlesen gibt? Kerzenschein an Tannenzweigen bei Schnee, alles Fehlanzeige.
Wie weit muss man reisen, um den Weihnachtsmann nicht zu treffen? Was muss man tun, um unentdeckt zu bleiben und vor allem, wie kann ich ihm entgehen, endgültig, für immer? Vielleicht hat Bob Dylan versucht diese Frage mit seinem Song ‘How Many Roads’ zu beantworten, aber außer ‘ The answer is blowin’ in the wind.’ enthüllt es nichts.
Eine Reaktion ist erforderlich, soviel steht fest. Ich werde ihn entführen, denn er scheint alleine zu sein. Ich werde ihn neu einkleiden mit Khmer-Schal, großkariertem Wickelrock und Jesuslatschen oder Klogs aus Plastik.
Ich warte noch ein paar Tage, dann wird er merken, dass das hier kein Honigschlecken ist. Kein Gänsebraten, keine Weihnachtspastete oder Würstchen mit Kartoffelsalat. Hier wird Reis gegessen, der die hageren Menschen anschließend so grinsend macht. Das ist nichts für den rot-pausbackenden Fettwanst. Der würde beim anschließenden Stuhlgang platzen. Sein Bluthochdruck ist der Hitze nicht gewachsen. Die Kleidung passt gar nicht bei nächtlichen 25° C. Die Kopfbedeckung schützt nicht vor Sonne, die Pudelmütze hat keine schattenspendende Krempe. “Ho-Ho-Ho!”
Bei uns in Deutschland ist das auch nicht anderes. Wer kannte vor 15 Jahren Haloween mit Kürbisgesichtern und Kindern, die Süßigkeiten betteln gingen? In den Großstädten wird der Ramadan zelebriert. Die Weihnachtskerzen werden bei der asiatischen Wärme wohl nicht mitmachen.
Was muss man tun, um unentdeckt zu bleiben und vor allem, wie kann ich ihm (Weihnachtsmann) entgehen, endgültig, für immer?
Auf die Berge des Himallaya oder KunlunShans wandern oder akzeptieren, dass Globalisierung ihren Preis hat.
Meld dich mal wieder, ob du den Weihnachsmann überlebt hast.