Kambodscha. Wer ist hier eigentlich der Arme? Gedanken beim Essen am Strand

Morgens geht das mobile Telefon. Party am Strand. Es ist 9:00 Uhr. Der Bruder der Schwester, die den Deutschen kennt, der mit einer Thai verheiratet ist und einen Partner hat der mit einer kambodschanischen Frau verheiratet ist, die eine Freundin hat, die in der Wäscherei arbeitet, die immer meine Hemden bügelt, lädt mich ein zur Party, morgens um 10:00 südostasiatische Zeit. Deutschland liegt noch um 5 Uhr morgens im Dämmerschlaf. Nein es ist nicht Sonntag oder Samstag, nein es ist Dienstag.

Bier Whiskey Krabbe
Bier Whiskey Krabbe

Der Orchidbeach ist weit draußen, ohne eigenes Motorbike nicht zu erreichen. Der glasklaren Ansage “Orchidbeach” folgt ein halbstündiges Suchen. Auf den Beach zufahren und dann rechts. 20 Minuten später ist es links, 10 Minuten später ist es, da wo die Bäume stehen. Ich biege auf den Strand und fahre ihn langsam ab. Irgendwann springt mir eine bereits etwas angeheiterte Frau vors Motorrad und lenkt mich zwischen den Hängematten auf den Festplatz. Ja, das können sie die Kambodschaner, ohne jeden Anlass feiern.

Krabbe am Hals
Krabbe am Hals

Die Früchte des Meeres liegen hier in überdimensionierter Menge, über 100 kleine Fische, davon bereits einige auf dem Grill. Krabben, Muscheln und Seegras, naja, so sieht es jedenfalls aus.

“Red Label” und Angkor Bierdosen lassen vermuten, da kommt noch ein Bus. Er wird nicht kommen, muss er auch nicht, denn Getränke werden hier grundsätzlich aufgetrunken, vor allem, wenn sie alkoholisch sind. Der tonernde Ofen brät auf Hochtouren, die Krabben werden geknackt und die Muscheln werden kalt verschlungen. Doch wieder bleibt die Hälfte liegen. Und das ist immer so, eigentlich nicht nur in Kambodscha, in ganz Südostasien. Verhungern werden sie nicht.

90% der Kambodschaner sind arm. Wirklich? Müssen wir nicht Armut erst einmal definieren? Haben wir sie nicht arm gemacht, weil sie all das haben wollen, was uns arm gemacht hat? Wird nicht der erst arm, der etwas haben will, was er sich nicht leisten kann?

Über 2000 Hilfsorganisationen befinden sich aktuell im Land. In diesem armen Land, eines der ärmsten der Welt. Sie bringen ihnen Medizin, Technik, Verwaltung und manchmal Prothesen. Doch warum rutschen hier noch so viele Amputierte über den Strand und betteln. Jeder von ihnen hat mindestens eine Prothese, keiner muss hier rutschen. Ja, aber warum betteln sie? Die meisten hier haben ein Haus, manchmal sogar ein Guesthouse mit einigen Zimmern.

Waren sie nicht sogar mal sehr reich, bevor die Weißen kamen und ihnen Steinhäuser bauten, Minen legten und später das Motorrad “Honda Dream” brachten? Jetzt wollen sie ein Auto, eine Lexus, der ihnen nie gehören wird, sondern immer der Bank. Sie hatten zu essen, bei ihnen ist immer 30 Grad, sie haben genug Wasser und den familienbewahrenden Buddhismus. Ihre Dörfer sind schützende Einheiten ohne Steinwälle oder Schießscharten. Als Europa im Mittelalter in den Hexenkriegen verrohte und versank, bauten sie Angkor Wat. Als Europa jeden tötete, der nicht passte, bauten sie Bewässerungssystem und erhöhten ihre Reisernten.

Ja, so saß ich da am Strand. Meine neuen kambodschanischen Freunde wurden immer lustiger und ich machte mir so meine Gedanken. Das Meer tönte mit seiner ewigen Melodie und meine neuen Freunde übertönten es mit ihren Handys, den neuen Handys mit Foto und mp3. Neue Gäste kommen, Fotos werden gemacht. Sicher nicht für die Ewigkeit, sondern für den kleinen Augenblick vom Picknick am Strand. Ich bin ja noch etwas hier. Das muss ich auch wohl, um zu verstehen.

Essen am Strand - Seafood total
Essen am Strand – Seafood total

Ein Gedanke zu „Kambodscha. Wer ist hier eigentlich der Arme? Gedanken beim Essen am Strand

  1. Die Krebse sehen sehr lecker aus! Armut über die Erhöhung der Anzahl der nicht erfüllbaren und unnötigen Wünsche zu definnieren, ist philosophisch wertvoll. Die Welt leidet unter dem Wachtumswahn und der schnellen technologischen Entwicklung. Würden wir alle unsere überflüssgen Wünsche über Bord werfen, gäbe es weniger herzustellen, zu transportieren, geringeren Rohstoffverbrauch etc. Das alles wäre möglich, wenn die unselige Verknüpfung aus Arbeit und Einkommen gelockert wird. So wie es jetzt läuft, müssen unerfüllbare Wünsche produziert werden, damit die Leute klein und gefügig gehalten werden. Stellt wuch mal vor, alle würden sagen, das Auto brauche ich nicht, mein Handy und mein PC reichen völlig aus. Ich kaufe sowas nicht mehr oder nur dann, wenn die Teile richtig kaputt sind. Das lassen die psychologischen Profis aus den Marketingabteilungen sowie die Poliker, als Knechte der Banken nicht zu.

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